Trunkenheit am Steuer? Versicherer muss Einzelfall prüfen! Arbeitsgemeinschaft Versicherungsrecht begrüßt neuestes BGH-Urteil

Einem aktuellen Urteil des Bundesgerichtshofes (22 …

Einem aktuellen Urteil des Bundesgerichtshofes (22. Juni 2011, IV ZR 225/10) zufolge kann ein Kaskoversicherer seine Leistungen nicht pauschal mit der Begründung verweigern, der Versicherungsnehmer habe einen Unfallschaden im Zustand der Volltrunkenheit herbeigeführt. Der BGH hat entschieden, dass im Einzelfall geprüft werden muss, ob dem Versicherungsnehmer ein Verschulden bei Trinkbeginn trifft und falls ja, in welchem Umfang vorzuhalten ist, die pauschale Leistungsverweigerung des Versicherers reiche auch bei Trunkenheit nicht aus, selbst wenn wie hier ? der Schaden aufgrund absoluter Fahruntüchtigkeit des Versicherungsnehmer eingetreten ist. „Dieses Urteil begrüßen wir“, sagt Rechtsanwältin Monika Maria Risch, Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Versicherungsrecht im Deutschen Anwaltverein DAV und Fachanwältin für Versicherungsrecht. „Die Reform des Versicherungsvertragsgesetzes (VVG) zum 1. Januar 2008, sieht eine Einzelfallprüfung als Regelfall vor. Deshalb sind wir froh, dass es hierzu nun ein klarstellendes BGH-Urteil gibt“, erklärt Risch

 

Was war passiert?

Ein Versicherungsnehmer ist auf dem Heimweg von einem Rockkonzert mit seinem Fahrzeug von der Fahrbahn abgekommen und gegen einen Laternenpfahl geprallt. An seinem Pkw entstand ein Sachschaden in Höhe von 6.400 Euro, den er anschließend bei seiner Kaskoversicherung geltend machen wollte. Pikantes Detail: Eine Blutuntersuchung unmittelbar nach dem Aufprall ergab eine Blutalkoholkonzentration von 2,7 Promille. Diesen nicht unerheblichen Wert, der Autofahrer wurde wegen Vollrausches von einem Strafgericht verurteilt, nahm der Versicherer zum Anlass, jegliche Leistung zu verweigern. Dagegen klagte der Versicherungsnehmer – über zwei Instanzen allerdings erfolglos. Erst in der Revision vor dem Bundesgerichtshof hatte er Erfolg. Hier wurde nämlich entschieden, dass eine Leistungskürzung des Versicherers wegen grober Fahrlässigkeit nicht pauschal zulässig sei, wenn eine Unzurechnungsfähigkeit vorlag. So ging der Bundesgerichtshof aufgrund der hohen Blutalkoholkonzentration davon aus, dass der Autofahrer zum Zeitpunkt des Unfalls wohl unzurechnungsfähig war. Die grob fahrlässige Handlung, so stellte der BGH fest, könne allerdings auch vor dem Zeitpunkt der Unzurechnungsfähigkeit gelegen haben. Zum Beispiel, wenn der Versicherungsnehmer vor Trinkbeginn, beziehungsweise zu einem Zeitpunkt, als er noch schuldfähig war, erkannt oder grob fahrlässig eben nicht erkannt hat, dass er im Zustand der Volltrunkenheit einen Verkehrsunfall herbeiführen würde. Das Gericht stellte fest, dass im Einzelfall zu prüfen sei, ob und welche Vorkehrungen der Autofahrer getroffen hat, um zu verhindern, in alkoholisiertem Zustand seine Autofahrt anzutreten oder fortzusetzen. Nach Reform des Versicherungsvertragsgesetzes jedoch ist der Versicherer im Falle der groben Fahrlässigkeit nur in Ausnahmefällen berechtigt, seine Leistungen komplett zu streichen. Absolute Fahruntüchtigkeit, betont das Gericht, könne allerdings eine solche „Kürzung gegen Null“, wie es im Versicherungsdeutsch heißt, begründen. „Damit ist klargestellt, dass dieses BGH-Urteil Autofahrern, die sich nach reichlichem Alkoholgenuss hinters Steuer setzen, keineswegs einen ‚Persilschein‘ ausstellt“, wie Versicherungsfachanwältin Risch hervorhebt. Sie betont: „Erfährt ein Versicherungsnehmer durch seinen Versicherer eine pauschale Kürzung der Versicherungsleistung gegen Null mit dem Hinweis auf ‚grobe Fahrlässigkeit‘ sollte der Versicherungsnehmer auf einer Einzelfallprüfung bestehen. Ein Fachanwalt für Versicherungsrecht kann ihn darin unterstützen, seine Interessen durchzusetzen.“